Piano mit einem Superbass von E. Krauss

Anlässlich dieses Hörbeispiels erfahren Sie von einem Klavier, dass sich neue Besitzer ausgesucht hat. Tatsächlich war ein junges Paar auf der Suche nach einem Tisch. Dabei ist Ihnen dieses Tasteninstrument begegnet. In der Anzeige stand, dass jemand ein Klavier loshaben wollte. Aber unterbewusst angekommen sind die Botschaften: Schaut mich ruhig genauer an. Ich bin gut erhalten! sowie Besucht mich doch mal, um zu hören, wie gut ich noch klinge! Diese Botschaften kamen an und weckten zum einen Erinnerungen und aktivierten zum anderen Neugier. Der Preis war günstig, also nutzte man die Gelegenheit. So lautete die Interpretation der Käufer. Tatsächlich aber war hier ein Piano auf der Suche nach einem neuen Zuhause, das es nun gefunden hat. Das Klavier hat gut gewählt. Vor der neuen Wohngemeinschaft bestehend aus dem Paar und ihrem Kulturmöbel stehen gute Zeiten im Zeichen von Wohlklang und guter Stimmung!

Im neuen Zuhause angekommen bekam es zuerst den besten Platz in der Wohnung an einer Innenwand in ausreichender Entfernung zur Heizung. Dann gingen die stolzen Besitzer auf die Suche nach einem Klavierstimmer und sie fanden die Klavierstimmerei Praeludio®. Sehr zur Freude der Auftraggeber wurde zeitnah ein Termin vereinbart.

Das Klavier war mir telefonisch als sehr verstimmt angekündigt worden. Aber es hatte sich wohl schon soweit akklimatisiert, dass lediglich der Diskant als stärker abweichend (da ohne Spreizung gestimmt) auffiel. Daher stimmte ich im ersten Schritt den Diskant etwas höher. Aufgrund des gewölbten Resonanzbodens verteilt sich der mit der Saitenspannung erhöhte Druck jedoch nicht regional sondern global. Das heißt, wenn man in einem Bereich den Druck erhöht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der daneben liegende Bereich etwas absinkt. So war es auch in diesem Fall, und daher wurde das Klavier von mir letztendlich bis zum Bass vorgestimmt, um am Ende eine Stimmung auf einer Tonhöhe mit einer normalen Stimmhaltung zu erreichen. Damit erfülle ich den hohen Anspruch des Gehörs, das sich nur ungern mit weniger als dem Möglichen zufrieden gibt. Diesen Aspekt teste ich mit dem ersten Teil meines Probespielens, wenn ich das Klavier in allen Dur-Tonarten über seinen gesamten Tonumfang durchspiele. Dabei geht es zum einen darum, ob auch alle Tonarten in sich stimmig sind und im Sinne der so genannten Gleichtemperierten Stimmung auch tatsächlich gleichartig klingen. Zum anderen geht es um die Spreizung als einen wesentlichen Teilaspekt der Klavierstimmung, die bewirkt, das die Stimmung über 7 Oktaven eben nicht abfällt. Dass die Klavier-Stimmung über den außergewöhnlich großen Tonumfang von mehr als 7 Oktaven auf einer Tonhöhe bleibt, ist für die Stimmung der Klavierspieler und deren Zuhörer insofern wichtig, da eine Stimmung ohne Spreizung auf uns eher traurig wirkt. So eine Stimmung zieht einen förmlich runter! Eine gespreizte Stimmung hingegen zaubert einem ein breites Lächeln ins Gesicht, das der Ausdruck davon ist, dass sich die beiden Ohren am liebsten direkt verbinden würden! Diese Art von Klavierstimmung überträgt sich auf die Musiker, hebt den Brustkorb, befreit die Atmung, lässt die Energie frei fließen. Das sind die körperlich spürbaren Signale (Somatische Marker) eines erfolgreichen Stimmungstransfer, der aber nur gelingen kann, wenn diese Aspekte der Hör-Lust erfüllt werden können.

Darüber hinaus erfüllt dieses Verfahren des Vorstimmens die ökonomischen Wünsche aller Klavierbesitzer, dass nämlich das Klavier nach dem Stimmen möglichst sofort spielbar ist, sowie dass die Stimmung ganz normal hält. Letzteres bedeutet konkret, dass die Klavierbesitzer die Leistung der Dauerhaftigkeit einer Stimmhaltung erwarten, als hätte das Klavier soeben nicht die genau genommen recht kraftvolle Belastung einer Vorstimmung erfolgreich verarbeiten müssen. Berücksichtigt man die hohe Zugkraft von 70-90 Newton pro Klaviersaite sowie die hohe Anzahl von über 200 Saiten im Klavier, so ergibt sich eine Gesamtzugkraft von mindestens 14.000 Newton, was einem Gewicht von 14 Tonnen entspricht. Veränderungen in der Tonhöhe bedeuten demnach auch entsprechende Veränderungen in diesem massiven System von hohen Zug- und Druckkräften. Das Vorstimmen ist somit eine Technik des Kräftemanagements im Klavier! Das bedeutet wiederum, dass man beim Vorstimmen zügig sowie kontrolliert vorgehen muss. Der Schlüssel zum Können besteht in einem hohen Maß an Erfahrung an dieser besonderen Teiltechnik des Klavierstimmens sowie an der grundsätzlichen Bereitschaft zur Integration moderner Technik in das Verfahren und nicht zuletzt das Streben nach dem möglichen Optimum der musikalischen Stimmung.

Schon beim Probespielen vor dem Stimmen fiel mir der Bass auf. Dort gab es Töne für den Bauch. Der Bass ist so stark, dass er in den Eingeweiden eine spürbare Resonanz erzeugt. Der Schritt vom Wohlklang zum Wohlgefühl ist nur ein kleiner! Dieser Eindruck bestätigte sich am Ende beim Probespielen nach dem Stimmen. Wir sprachen über den Klang und ich erläuterte die dafür verantwortlichen konstruktiven Besonderheiten. Schon wenn man sich oben die überkreuzenden Bereiche des Bass und der Mittellage anschaut, stellt man fest, dass der Bass sehr schräg angelegt ist. Das heißt, der Bass geht vermutlich unten sehr weit nach rechts. Die Basssaiten bekommen dadurch so viel Länge wie möglich. Das ist für die Qualität der Töne im Bass quasi essentiell.

E. Krauss Klavier offen Gesamtansicht

Darüber hinaus sieht man unten eine sehr große Bassbrücke. Hier handelt es sich um eine Art von Trick: Die Auflagefläche der Saiten auf dem Steg ist nahe am Rand - wiederum in dem Bemühen um eine optimale Saitenlänge. Aber die Auflagefläche des Stegs auf dem Resonanzboden ist nicht unmittelbar darunter, sondern weiter in die Mitte des Resonanzbodens verlagert. Die Bassbrücke in unserem Klavier von E. Krauss hat sogar eine Biegung, und bei den tiefen Tönen ist die Biegung am Stärksten, wodurch die Auflagefläche dieser Töne noch weiter in Resonanzbodenmitte verlagert wird. Der Resonanzboden schwingt in der Mitte stärker als am Rand. Folglich entwickelt er in der Mitte des Resonanzbodens auch eine intensiveren Klang. Das Ergebnis dieser konstruktiven Maßnahmen kann man nicht nur hören, sondern auch spüren!

E. Krauss Klavier Bassbrücke Krauss-Piano verstimmt Krauss-Piano gestimmt