Vor- und Nachteile der so genannten Hausmarken-Klaviere

Storytelling im Marketing

Häufig erzählen mir Kunden die Geschichten, mit denen man Ihnen beim Kauf den Mehrwert ihres Pianos vermittelt hat. Die Wiederholung des Musters dieser Geschichten ist auffällig. Daher winke ich meist schon am Anfang ab, um den Kunden zu erzählen, wie die Geschichte vermutlich weitergeht. Der Verkauf von Klavieren ist heute weitgehend Storytelling. Wobei der Artikel bei Wikipedia durch das Kapitel Storytelling im Marketing ergänzt werden müsste. Geschichten und Märchen regen die Phantasie an. Sie sind für Menschen jeglichen Alters eine Quelle des Träumens, bieten unserem gestressten Seelenleben eine Auszeit, einen Ruheraum.

So ist die Geschichte von den Klavieren mit einer Hausmarke Teil des Pianomarketings. Hierbei handelt es sich um Klaviere, die den gleichen Namen tragen wie das Geschäft, das sie verkauft. Das ist ein doppelter Mehrwert, denn das Piano bekommt nicht nur durch den Anschein einer Marke einen Mehrwert, sondern es wertet durch seine Hausmarke gleichzeitig das Geschäft auf. Denn es handelt sich hier offensichtlich nicht nur um einen Piano-Shop oder um ein Klaviergeschäft mit dem Mehrwert-Status Fachhandel, sondern diese Leute scheinen auch noch selbst Klaviere zu bauen! Nun, ganz soweit gehen diese Marketing-Geschichten dann doch nicht. Man gibt schon zu, dass man Teile des Instruments kostengünstig produzieren lässt. Oder man verweist auf die eigentliche Leistung der Konstruktion sowie darauf, dass ja diese Konstruktion lediglich kostengünstig in einem Billiglohnland zusammengebaut wird, um so einen Preisvorteil zu generieren, den man selbstverständlich an seine Kunden weitergibt. Im Übrigen gäbe es noch die Mehrwertteile wie die Klavierhämmer mit Filz Made in Germany oder die guten Klaviersaiten aus Deutschland. Aber vor allem sei entscheidend für das Vertrauen des Käufers, dass jedes Instrument nach der Lieferung in den eigenen Werkstätten von deutschen Fachleuten überprüft, reguliert und gestimmt würde.

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Wodurch unterscheiden sich echte Marken von Scheinmarken?

Mehr-Wert

Geschichten und Geschichte

Was davon ist wahr? Wahr ist, dass die Klaviere, die hier in Deutschland als NoName-Pianos ankommen, ihren Namen, also den Namen der Hausmarke aufgeklebt bekommen. Wahr ist auch, dass diese Klaviere heute fast ohne Ausnahme aus China kommen. Damit verbunden ist ebenso wahr, dass diese Hausmarken-Klaviere zu teuer gehandelt werden. Denn der bloße Anschein einer Marke, wie das bei Hausmarken der Fall ist, erzeugt offensichtlich einen Mehrwert. Warum ist das so? Welche Eigenschaft generiert hier den Wert?

Hausmarken-Klaviere haben im Gegensatz zu den echten Markenklavieren den Vorteil, dass sie nicht vergleichbar sind. Da ja niemand weiß, dass die Klaviere verschiedener Häuser unter Umständen von dem gleichen Hersteller aus China kommen, kann man den Namen ABC nicht mit XYZ vergleichen. Die Vergleichbarkeit ist nämlich die Chance für den Käufer, das günstigste Angebot zu suchen und zu finden. Sobald Sie wissen, welches Modell einer bestimmten Marke Sie wollen, suchen Sie im Internet nach dem günstigsten Angebot. Z.B. Händler wie Piano-Schmitz aus Essen verkaufen aus diesem Grund überregional viele Markenklaviere. Diese Form des Win-Win-Marketings macht den Käufer zum Gewinner, denn es ist ein Marketing über den Preis. Der Händler wird über entsprechend hohe Stückzahlen ebenso zum Gewinner dieser zeitgemäßen Form des Marketings. Frage: Was lernen wir daraus? Antwort: Es gibt Klaviermarken mit Geschichten und Markenklaviere mit Geschichte!

Aus der Kundensicht ist die Erkenntnis hinsichtlich der Aktualität der Marketingmodelle von höchstem Interesse. Denn man kann unterscheiden zwischen Händlern, die auf alte und solche die auf neue Marketingmodelle setzen. Wer die Strategie der Hausmarken verfolgt, zielt auf das alte, regional begrenzte Modell ab. So hat man sich früher ganz selbstverständlich an dem lokalen bzw. regionalen Angebot orientiert. Das hatte seinen Grund darin, dass es eben keine Möglichkeiten gab, überregional sich Informationen und somit auch einen Preisvergleich zu beschaffen. Und grenzüberschreitende Lösungen wie kostengünstige Lieferangebote waren damals nicht die Regel. Doch die Welt von Morgen wird schon heute wesentlich vom Internet bestimmt. Wenn wir Informationen suchen, werden wir sie finden und können Preis und Leistung vergleichen. Ganz selbstverständlich lernen wir als Kunden, welcher Händler zeitgemäß positioniert ist, um diesen in seiner Wahl zu bestätigen.

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Wie wehren sich Händler gegen Vergleiche?

Preisabsprachen als strategisches Mittel gegen den Preisvergleich

Soeben habe ich geschrieben, dass die Hausmarken-Klaviere zu teuer gehandelt werden. Warum ist das so? Nun, das ist eine Art Übereinkunft. Denn richtig billige Klaviere würden ja die hohen Preise der Klaviere aus Deutschland angreifen. Als Reaktion auf diese Strategie der niedrigen Preise würde es zu Preissenkungen und somit zu einer Verbesserung der Situation des Käufers kommen. Wie vermeidet man das? Indem man ein Monopol hat oder aber Absprachen trifft. Die Absprachen lauten: Man verlangt für die als Hausmarken-Klaviere angebotenen Pianos aus China einen vergleichsweise hohen Preis, um eben die überzogenen Preise der Klaviere aus Deutschland aufrecht halten zu können. Das ist für die deutschen Klavierhersteller wichtig, da diese eh nicht mehr am deutschen oder gar europäischen Markt interessiert sind. Der Markt in Europa wird als gesättigt bezeichnet. Dort soll es 8 Millionen Klaviere geben, die den Markt blockieren. Für die deutschen Klavierproduzenten sind die Märkte in Asien und vor allem in China relevant. Denn dort gibt es zum einen immer mehr wohlhabende Menschen, die sich durch den Kauf teurer Produkte Made in Germany von anderen unterscheiden können. Zum anderen schätzt man das Potenzial des Marktes in China auf 30 Millionen Menschen, die am Klavierspiel interessiert sind. Würden nun aber die Preise der deutschen Klaviere sinken, so verliert man dort einen wichtigen Kaufanreiz, nämlich den unverhältnismäßig hohen Preis der Pianos Made in Germany. Ohne diese Interessenlage im Detail zu kennen, orientieren sich die Käufer in Deutschland entsprechend nach ihrem Geldbeutel und kaufen die genau genommen überteuerten aber im Vergleich zu den deutschen Instrumenten günstigeren Hausmarken-Klaviere aus China. Somit ist die Marketing der deutschen Klavierhersteller eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Der gesättigte Markt in Deutschland erweist sich gegenüber den Angeboten aus Deutschland weiterhin als zurückhaltend. Um die Sättigung des Marktes in einen Nachfragesog zu verwandeln, braucht es eine kundenorientierte Denk- und Handlungsweise, falls man das tatsächlich will, was ich zu bezweifeln wage. Die Klavierhersteller gehen den Weg des geringsten Widerstands und der lautet: Auf nach China!

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Hausmarken-Klaviere sind doch keine Massenprodukte!

Was macht den Unterschied aus?

Warum sind nun die Chinaklaviere keine 3.000 bis 4.000 Euro wert? Zum einen sind die Klaviere nicht ganz einfach zu stimmen. Auch in dieser Kategorie muss man als Klavierstimmer erfahren sein - oder aber gegenüber seinen Kunden so ehrlich und offen, dass einem im Umgang mit Klavieren aus China noch an Erfahrung mangelt.

Zum anderen haben die Chinesen das, was wir Deutsche gerne den Japanern vorwerfen, nämlich Massenproduktion. Der größte chinesische Klavierhersteller Pearlriver rühmt sich damit, im Jahr 100.000 Klaviere zu bauen. Dafür haben deutsche Klavierbauer früher rund 100 Jahre benötigt! Klar ist, dass die chinesischen Klavierproduzenten keine Zeit haben, das zu verarbeitende Holz ausreichend lange zu lagern und somit zu trocknen. Daher sind gerade Klaviere aus China mit auffallend vielen Sperrholzteilen ausgestattet. Sperrholz bzw. Mulitplex-Platten sind das Ergebnis moderner Holztechnik, die verhindern soll, dass sich der Rohstoff Holz im ursprünglichen Ausmaß an klimatische Einflüsse anpasst. Trotzdem arbeiten gerade die Klaviere aus dem Reich der Mitte relativ stark. Das kann man an der Regulierung der Klaviermechanik feststellen. Bei dem Klavier aus unserem Hörbeispiel trommeln die Hämmer beim Probespielen des Praeludiums in der gestimmten Version Auf 435 Hertz gestimmt. Das heißt, die befilzten Klavierhämmer werden nicht nach dem Anschlag vom Fänger aufgefangen und kontrolliert, sondern pendeln hin und her, was gelegentlich dazu führt, dass sie mehrfach gegen die Saiten schlagen. Dieser Trommel-Effekt ist aber ein zufälliger Effekt, den der Klavierspieler versucht, über seine Spielart zu vermeiden. Das Verhindern des Trommelns gelingt, indem man stärker anschlägt. Das beraubt aber den Klavierspieler eines wesentlichen Teils seiner Ausdruckmöglichkeiten im Rahmen des Dynamikspektrums des Instruments. Die Veränderung der Regulierung der Klaviermechanik aufgrund von nicht ausreichend getrocknetem Holz ist der Grund, warum sich die Klavierspieler nicht wie erwünscht um die Optimierung ihres Ausdrucks kümmern können, sondern sich vielmehr um die Vermeidung der technischen Fehler des Instruments bemühen müssen. Denn Unstimmigkeiten im Vortrag würde der Zuhörer als einen Fehler des Klavierspielers deuten. Als Leser dieser Zeilen wird Ihnen die deutliche Verbesserung im Ausdruck auffallen, wenn Sie sich die Version ohne Trommeln anhören bzw. diese mit der vorhergehenden Version Auf 435 Hertz gestimmt vergleichen.

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Information anstelle Manipulation

Die Story zum Hörbeispiel

Warum erzähle ich Ihnen das eigentlich? Weil es sich hier um ein relatives neues Klavier einer Hausmarke handelt. Das bereits vorhandene alte Klavier wurde begutachtet und für nicht mehr stimmbar eingestuft. Die Reparatur würde mindestens 10.000 Euro kosten. Mindestens muss der Kunde im Sinne von nach oben offen verstehen. Und 10.000 Euro als Startsumme hat nicht jeder in der Portokasse. Dazu waren dann die 3.500 Euro für das neue Hausmarken-Klavier geradezu ein Schnäppchen. Das ist Storytelling als eine Methode des Marketings.

Doch damit ist unsere Geschichte noch nicht zu Ende. Denn das gekaufte Hausmarken-Klavier wurde gestimmt und war nach einem Jahr relativ stark verstimmt. Als der Klavierbesitzer das kritisch zu hinterfragen wagte, wurde er mit dem ganzen Schwall der üblichen Schutzargumente der Klavierstimmer überschüttet: Luftfeuchtigkeit, Bedingungen in der Wohnung, Bauart der Fenster, Außenwand... Dabei ist doch klar, dass es hinsichtlich der Stimmhaltung deutliche Unterschiede gibt. Die Frage ist: Welche Faktoren die Stimmhaltung beeinflussen. In dem Zusammenhang ist die Herkunft des Klaviers ein wichtiger Aspekt, da die Herkunft etwas über das verwendete Holz aussagt. Doch die Herkunft des Instruments ist ja quasi das Betriebsgeheimnis des Hausmarken-Klaviers, das man auf keinen Fall verraten durfte.

Die Besitzer des Klaviers haben sich anschließend nach einem anderen Stimmer umgesehen, und bei der Gelegenheit viel über ihr Klavier erfahren, was ihnen vorher völlig unbekannt war. Das Klavier befand sich auf 435 Hertz und wurde in Rücksprache mit den Klavierspielern auf der Tonhöhe belassen. Anschließend erläuterte ich die Mängel in der Spielart (Trommeln), um diese zu beheben. Wie üblich dokumentierte ich die einzelnen Arbeitsschritte als Teil der Transparenz der Klavierstimmerei Praeludio® und habe sie anschließend zum Vergleichen veröffentlicht.

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Hören Sie selbst!